Dienstag, 23. Dezember 2008

chicos in Alemania, Teil 2


von links nach rechts:  Javier, Tino, Miguel, Sandra, Sergio

(Wer den ersten Teil verpaßt hat, bitte einfach weiter runter scrollen)

Dass ich erst heute wieder schreibe, hat genau 2 Gründe: zum einen war ich bis gestern abend noch mit dem Kurier beschäftigt, zum anderen ist es so - kann sich mancher vielleicht gar nicht vorstellen - dass ich die chicos im Haus so gut wie gar nicht bemerke und nichts von ihnen mitbekomme. Dank WiFI (W-Lan) arbeite ich ja momentan am Eßtisch im EG, und da werde ich nur 2 x pro Tag unterbrochen, wenn die Meute zur Fütterung antritt. Ansonsten sind sie entweder im Keller und schlafen aus, oder in ihrem "Informatik-Hörsaal", wo Sandra und Miguel es doch tatsächlich schaffen, zu studieren und sich auf Prüfungen nach Weihnachten vorzubereiten, während die anderen skypen oder online-games spielen, oder sie sind alle unterwegs.

Am Sonntag waren sie in Passau und haben ihren ersten Glühwein und Punsch ausprobiert, haut sie aber nicht vom Hocker. Als Miguel jedoch  1/2-Meter-Bratwürste entdeckte, sah er seine Theorie mal wieder bestätigt: "in Deutschland wachsen die Lebensmittel proportional zur Größe der Häuser...", alles erscheint ihm MEGA-groß (ich überlege schon, ob ich ihn mal mitnehme nach Sulzfeld in Franken, um eine Meter-Bratwurst zu essen?). Aber die Auswahl an dulces (Süßigkeiten), die es auf den Weihnachtsmärkten gibt, verschlägt ihnen einfach die Sprache. 

              Miguel vor dem Schoko-Regal

Den absoluten Treffer hatte ich jedoch mit Mohrenköpfen gelandet, die ich am Samstag abend noch schnell besorgt hatte, da ich fast kein Weihnachtsgebäck mehr auftreiben konnte. Sieht so aus, als hätten wir 4 Naschkatzen dabei! Bin nicht ganz sicher, wer dies mehr genießt, die Jungs ihre Leckereien, oder ich als "Mama" dieser Großfamilie den Einkauf dieser Kalorienbomben, denn unser Tino konnte bis zum heutigen Tag kein Stück Schokolade essen, ist allergisch auf Milch, Ei, Kakao, Nüsse, etc., und hat früher auch keine Zitrusfrüchte vertragen, so dass es immer sehr schwierig war, für ihn einen Adventskalender zu füllen, oder den vielen Nikoläusen in der Stadt auszuweichen, die ihm immer genau diese Dinge geschenkt haben, die er nicht essen durfte. Und jetzt kann ich endlich in die Vollen greifen für die Schleckermäuler, die dann strahlen wie Kleinkinder vor dem Baum, und es fühlt sich sehr gut an, wenn man ihnen mit so einfachen Dingen eine solch große Freude bereiten kann. (Tino hat sich daran gewöhnt, dass er zusehen muss, oder sich mit Mandeln, Salzstangen oder Obst begnügen muss.)



Gestern abend war Deggendorf angesagt. Kaum war der Kurier fertig und online, alle info-mails verschickt, bin ich mit ihnen nach Deggendorf gefahren und war selbst total platt: um 19:30h konnte ich direkt am Stadtplatz parken, alle Geschäfte waren schon zu, nur um den Weihnachtsmarkt scharten sich noch vereinzelt ein paar Glühweinfans. Ich war davon ausgegangen, dass dort, 2 Tage vor Weihnachten, mindestens bis 22 Uhr der Bär toben würde und ich meine Geschenke kaufen könnte und mich gut amüsieren, während sich die Jungs mit ehemaligen Freunden von Tino treffen wollten. Aber die Stadt war leergefegt, selbst das Cafe am Stadtplatz, wo ich so gerne mit der Besitzerin geratscht hätte, war zu, so dass ich mich nur im Kino aufwärmen und die Zeit verbringen konnte. 

Es ist schon  komisch, natürlich spreche ich deutsch und verstehe deutsch, aber ich fühle mich irgendwie so fremd, muss vieles erfragen, als käme ich von einem anderen Stern. Habe ein Deggendorfer Kennzeichen, daher hat sich der Polizist sehr gewundert, als ich ihn fragte, ob und wie lange man denn am Stadtplatz parken könne, wo er gerade mit einer Kollegin unterwegs war, eine ganze Reihe Autos aufzuschreiben. "Die Schilder gelten auch nachts", meinte er nur. Schien mir irgendwie typisch deutsch, dass 2 Polizisten nach Geschäftsschluss  Knöllchen verteilen, obwohl kein Mensch auf der Gasse war, die Autos niemanden gestört haben, und man eher froh über Gäste und Besucher der Stadt sein sollte, statt ihnen so kurz vor Weihnachten noch das hart verdiente Geld sinnlos abzuknöpfen. Andererseits, irgendwoher müssen ja die vielen Milliarden kommen, mit denen ein Konjunkturprogramm gegen die Krise aufgelegt wird!

Tagesrhythmus und Essen in Deutschland

Es fällt uns allen schwer, uns an die kurzen Tage hier zu gewöhnen. Sandra ist immer die erste, die bereits gegen 9 Uhr allein frühstückt und sich dann nach oben verzieht, um in Ruhe lernen zu können. Ich sitze meist ab 10 Uhr an meinem neuen Arbeitsplatz, und bis ca. 13 Uhr sind dann nach und nach alle mal kurz aufgetaucht, um etwas zu frühstücken, eine Mahlzeit, die für sie nicht wichtig ist und die man daher einfach im Stehen an der Küchentheke einnehmen kann. Hunger meldet sich dann meist wieder so ab 14/15 Uhr für Mittagessen, da sitzen dann alle um den Tisch vereint. Es ist ein Genuss, zu sehen, wie sie lauter neue Sachen ausprobieren, es scheint alles gut zu schmecken. Selbst Sandra, die bei uns in Spanien noch nie mitgegessen hat, jat nun Rolands Kochkünste entdeckt und lieben gelernt und sich schon mal für einen Kochkurs angemeldet.  Javies Mutter hatte ein wenig Bedenken, da ihr Sohn so wählerisch ist. Ich glaube, er hat noch nie so gern und viel gegessen wie hier! Sergio probiert auch alles, und das ist dochetwas ungewöhnlich für Andalusier, die meist nur das essen, was sie kennen, was dazu fürht, dass die Auswahl in den meisten Lokalen immer gleich ist. Unser Staresser ist aber Miguel, der auch in Spanien praktisch schon zur Familie gehört. Er ist Genießer, zelebriert die Mahlzeiten allein schon durch die Anordnung auf seinem Teller, und steht nicht eher auf, bevor nicht die letzte Pfanne/Schüssel etc. geleert ist. 

Nach dem Essen muss man alle ein wenig drängen, damit sie langsam in Schwung kommen und sich anziehen, wenn sie noch ausgehen und etwas kaufen wollen. Ab 17 Uhr ist es dunkel, die Läden schließen hier um 18 Uhr, also für uns praktisch kurz nach dem Mittagessen! 
Teatime mit Süßkram paßt dann irgendwann zwischen 19 und 20 Uhr rein (obwohl, Süßkram geht immer!),  und zum Abendessen kommen wir meist erst nach 22 Uhr. Wäre ja alles kein Problem, hätten Roland und ich nicht auch noch Bank, Einkaufen, Zahnarzt, Post etc. zu erledigen, die sich alle nicht nach unserem Rhythmus richten. 

Einkauf getrennt

Einkaufen erledigen wir seit Jahren nur noch getrennt, denn Roland ist für die Fütterung zuständig,  ich mehr für Schleckereien, Geschenke, Kosmetika und Deko. Bei mir muss Einkaufen schnell gehen, rein ins Geschäft, Korb gezielt füllen, ich kenne meine Regale auswendig, und wieder raus. Roland dagegen macht aus jedem Einkauf ein gesellschaftliches Ereignis. Irgendwie erlebt er immer etwas, wenn er unterwegs ist, und trifft komischerweise immer Bekannte, die mir nie über den Weg laufen. Auf diese Weise bringt Roland immer die neuesten Nachrichten  mit nach Hause, ohne je in eine Zeitung schauen zu müssen. Für ihn ist Einkaufen allein schon ein Genuss, denn da kann man sich beim Ansehen des Fleisches schon vorstellen, wie es dann in der Pfanne aussehen wird, was man dazu machen könnte, und je länger er durch einen Markt oder Supermarkt streift, umso mehr Ideen kommen ihm, was er mit den derzeitigen Sonderangeboten noch alles kochen könnte. Sparsam ist er, ja, das sieht man auch an seinen Rezepten im Kurier, die immer mit Preisangaben versehen sind. 

Das Schönste ist für ihn aber immer der Gedanken- oder besser gesagt: Rezepteaustausch mit allen Hausfrauen, ganz gleich ob in Spanien oder hier. Angeblich ergibt sich das immer irgendwie, so wie auch heute, als er gerade eine Pute kaufen wollte. Da riet ihm eine Frau, diese doch nicht zu nehmen, die käme aus der Türkei, "da gibt´s nur Boana (Knochen), koa Fleisch! die san zach (die sind zäh)".  Etwas überrascht fragte er nach: wieso aus der Türkei? Woher wissen Sie das? "Steht doch drauf, da schaugn´s her: oven ready TURKEY! Angezogen vom unüberhörbaren Lachen meines Mannes scharten sich gleich noch weitere Hausfrauen dazu, und schon war er wieder Hahn im Korb und erläuterte, wie einfach man die Pute doch zubereiten könne, gaaanz langsam...... (siehe Rezept im Residentenkurier 2). Bis er dann immer vom Einkaufen zurückkommt, kann ich schon fast meine gesamte Weihnachtspost erledigen oder einige Seiten von meinem Kurier schreiben!




Jetzt erstelle ich noch schnell eine Diashow, um Euch das Ganze etwas zu bebildern. Allerdings mögen meine Jungs es nicht, wenn ich sie fotografiere, da sie ja erst abends ausgehen, und daher den ganzen Tag in ihren Pyjamas rumlaufen.

Wer Zeit hat, dies jetzt zu lesen, hat wenigstens keinen Vorweihnachtsstress. Das wünsche ich allen, geht es gemütlich und in Ruhe an.

Herzlichst
Beatrice

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